Das Heidelberger Startup Onuava bringt Fertility- und Family Planning Benefits in den DACH-Raum. Was in den USA und Großbritannien schon fast zur Normalität gehört, ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch exotisch: Dass Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden bei der Familienplanung unterstützen- mit finanziellen, aber auch beratenden Angeboten.
Die Gründerinnen von Onuava, Dr. Julia Reichert und Katharina Jung, wollen das ändern und ihre Kinderwunsch-Plattform als Arbeitgeber-Benefit im DACH-Raum etablieren. Im Interview mit Gründerzeit Magazin haben wir die beiden Gründerinnen kennengelernt und mehr über ihre Mission erfahren.
Unerfüllter Kinderwunsch ist kein Nischenthema
Die Gründerin Dr. Julia Reichert hat ihre drei Kinder durch Kinderwunschbehandlungen bekommen. Sie selbst sagt über diese Zeit: “Ich hatte viel Glück, denn ich war sehr jung, als ich die Diagnose Unfruchtbarkeit bekam und konnte so bereits mit 31 Jahren die erste Kinderwunschbehandlung durchführen.”
Das Thema unerfüllter Kinderwunsch ist kein Nischenthema. Laut einer aktuellen WHO-Studie ist jede:r Sechste im Verlauf des Lebens von Unfruchtbarkeit betroffen und etwa 10% aller Paare in Deutschland sind nach Angaben des Bundesfamilienministeriums ungewollt kinderlos.
Immer öfter hört man auch im eigenen Bekanntenkreis: “Wir haben unser Kind durch künstliche Befruchtung bekommen” oder “Ich habe mich jetzt entschieden, mir meine Eizellen einfrieren zu lassen, weil ich noch nicht den richtigen Partner gefunden habe.”
Die Anzahl der Kinderwunschbehandlungen hat in Deutschland tatsächlich deutlich zugenommen. Im Jahr 2022 wurden 127.920 Behandlungszyklen für In-Vitro-Fertilisation (IVF), also künstliche Befruchtung, durchgeführt. Im Vergleich zu 2012 ist das ein Anstieg von 59%. Das zeigt: Immer mehr Paare erfüllen sich den Kinderwunsch dank modernster Methoden der Fruchtbarkeitsbehandlung.
Auch Social Freezing wird immer beliebter, wenn auch noch viel seltener als in den USA oder Großbritannien. Es ist das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen für zukünftige Befruchtung und ermöglicht Frauen, ihre Eizellen für eine spätere Schwangerschaft zu konservieren. Das Prinzip wurde ursprünglich für Krebspatientinnen entwickelt, die eine Chance haben sollten, ihre Eizellen zu konservieren, bevor sie sich einer Chemotherapie oder einer Bestrahlung unterziehen und gegebenenfalls unfruchtbar werden.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 2.338 Social Freezing Zyklen erfasst, im Jahr 2018 waren es noch 969. Ein interessanter Aspekt: 8/10 Frauen lassen sich die Eizellen einfrieren, weil der richtige Partner für die Familiengründung noch fehlt und nicht aufgrund ihrer Karriere.
Social Freezing vom Arbeitgeber bezahlt: Erst in den USA, nun in Deutschland
2014 verkündeten die ersten US-amerikanischen Unternehmen wie Facebook oder Apple, dass sie ihren Mitarbeiterinnen bis zu 20.000 US Dollar für’s Social Freezing bezuschussen. Das löste in Deutschland so einige Diskussionen aus: Man wolle die Fachkräfte ja nur von der Familienplanung abhalten und denke als Facebook & Co. nur an den eigenen Vorteil, nämlich Frauen länger im Arbeitsleben zu behalten. Dass dies aber als ein Benefit angeboten wurde, der von den Mitarbeitenden gewünscht und eingefordert wurde, fehlte in der deutschen Debatte komplett.
Fast neun Jahre später schauen wir nach Deutschland und es hat sich bei dem Thema Familienplanung im DACH-Raum noch nicht so viel getan. Die Unternehmensberatung Kearney war in Deutschland das erste Unternehmen, das im Juni verkündete, Family Planning Benefits für ihre Mitarbeitenden anzubieten.
Alles rund um in den Kinderwunsch auf einer Plattform
Die Onuava-Gründerinnen wollen diese Entwicklung antizipieren und bieten die erste holistische Kinderwunsch-Plattform als Arbeitgeber-Benefit im DACH-Raum an. Als digitale Plattformlösung konzipiert, können Unternehmen ihren Mitarbeitenden Zugriff auf eine Vielzahl an Angeboten geben, die jede:n individuell bei der Familienplanung unterstützen.
Katharina Jung betont, dass sie mit Onuava durch die schwierige Phase der Fruchtbarkeitsbehandlung hindurch begleiten wollen, die oftmals von emotionalem Stress und körperlichen Anstrengungen geprägt ist.
Die drei Säulen von Onuava:
Die erste Säule ist die Informations- und Beratungsplattform, auf der sich Mitarbeitende zu allen Themen rund um Kinderwunsch informieren und beraten lassen können. Hier werden die verschiedensten Themen rund um den Kinderwunsch abgedeckt: Natürliche Fruchtbarkeitsoptimierung, Ursachen für Unfruchtbarkeit, Optionen zur Kinderwunschbehandlung, Schwangerschaft und Geburt, aber auch Hilfe bei Fehlgeburten und ggf. dem Abschied vom Kinderwunsch.
Onuava greift auf wissenschaftlich fundierte Quellen zurück, arbeitet die Inhalte aber in Form von Videos, Blogs und Themen-Specials auf, damit sie leicht verdaulich und verständlich sind, auch ohne Vorwissen.
Außerdem kann man sich jederzeit mit Berater:innen direkt vernetzen: Egal ob zur Information und Aufklärung oder für mentale und emotionale Unterstützung bei einem konkreten Vorfall.
Der monetäre Arbeitgeberzuschuss für Fruchtbarkeitsbehandlungen, welcher die zweite Säule bildet, ist laut Katharina Jung in Deutschland noch stigmatisiert.
Die Besonderheit: Onuava nimmt den Arbeitgebern jeglichen administrativen Aufwand ab. Sie müssen sich nur auf einen Betrag committen und die Richtlinien und Umsetzung übernimmt Onuava.
Das Ovuava-Team will darüber hinaus “Awareness”, also Aufmerksamkeit und Aufklärung rund um das Thema Familienplanung und Fruchtbarkeitsbehandlungen schaffen, weil die breite Masse sich noch nicht so stark mit diesen Themen beschäftigt. Außerdem werden auf der Plattform Trainings für HR-Abteilungen sowie Fach- und Führungskräfte zum Thema Fertility und Family Planning Benefits angeboten. Denn Vorgesetzte und Personalabteilungen können ihre Mitarbeitenden nur richtig unterstützen, wenn sie selbst gut informiert sind.
“Uns ist sehr wichtig, dass alle Informationen auf unserer Plattform 100% anonym sind, da Familienplanung ein sensibles Thema ist, das die Privatsphäre ganz besonders betrifft“, betont Katharina Jung.
Familienplanung vom Arbeitgeber unterstützt? Warum sich das für den Arbeitgeber lohnt!
Mentale Gesundheit
Die steigende Aufmerksamkeit für mentale Gesundheit während der Covid-Pandemie war für Dr. Julia Reichert ein wichtiger Anstoß für die Gründung: “Durch die Pandemie sind Beruf und Familie mehr denn je miteinander verschwommen und Arbeitgeber:innen haben realisiert, dass auch sie Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden übernehmen müssen”, so die Gründerin.
So zeigt eine Studie aus Großbritannien, dass bei 90% der Kinderwunschpatientinnen, die Behandlung eine enorme Auswirkung auf ihre Karriere hatte. Viele gaben an, dass die Kinderwunschreise das Gefühl hinterlässt, dass das Leben ‚pausiert‘ ist. Über 68% gaben an, dass die Behandlung einen starken Einfluss auf ihr mentales und emotionales Wohlbefinden hatte. Hier gibt es also viel Bedarf für den Arbeitgeber, ein unterstützendes berufliches Umfeld zu schaffen.
Fachkräftemangel
Unternehmen suchen heute händeringend nach Fachkräften und Mitarbeiterbindung ist ein heiß diskutiertes Thema. Dr. Julia Reichert erklärt uns: “Wir leben in einer Zeit des Fachkräftemangels. Deshalb suchen Unternehmen zunehmend nach innovativen Lösungen, um Mitarbeitende zu gewinnen und zu binden. Eine aktuelle Studie vom Bundesfamilienministerium zeigt, dass für 90% der Befragten die Familienfreundlichkeit ihres Arbeitgebers wichtiger ist als das Gehalt.”
Onuava hilft Unternehmen genau dabei, sich familienfreundlicher aufzustellen und ihre Mitarbeitenden bei ihrem Kinderwunsch zu unterstützen.
Loyalität und Mitarbeiterbindung
Es zahlt sich für Arbeitgeber:innen aus, bei der Familienplanung zu unterstützen. Eher das Nichtstun hat seinen Preis: Wenn sich Mitarbeitende bei der Familienplanung nicht unterstützt fühlen, kündigen sie und wechseln den Arbeitgeber und umgekehrt, wenn man sie unterstützt, hat man loyale, dankbare Mitarbeiter:innen, die einem länger erhalten bleiben.
Diese zwei mutigen Gründerinnen wurden belohnt
Im Sommer 2023 wurde die erste Version der Kinderwunsch-Plattform veröffentlicht. Außerdem bereiten die beiden Gründerinnen ihre erste Finanzierungsrunde vor, da sie bis zum jetzigen Zeitpunkt komplett allein finanziert sind. Erst kürzlich haben sie außerdem mit Onuava den Heidelberger Gründerpreis in der Kategorie Mut gewonnen.
In diesem Sinne wünschen wir Dr. Julia Reichert und Katharina Jung weiterhin viel Mut und Erfolg, sich für eine neue Ära der Fertility und Family Planning Benefits einzusetzen. Ihr Engagement zeigt nicht nur, wie man aus einer gesellschaftlichen Entwicklung ein Geschäftsmodell entwickeln kann, sondern zeigen mit ihrer Aufklärungsarbeit auch einen Weg auf, wie sensible Themen in Zukunft respektvoll und unterstützend ins Berufsleben integriert werden können.