Rechtliche Unsicherheit in der Coaching-Szene – eine Übersicht

Autor:in:
Irina Shafir, LL.M.
Veröffentlicht am:
December 1, 2023

Die Coaching-Szene ist weit verbreitet und hat sich insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung stark vergrößert. Vor allem steigt die Anzahl von Online-Anbietern verschiedener Coachings, von Ernährungsberatung, bis hin zu Business-Coachings. Die Zugänglichkeit verschiedener Angebote hat sich stark erweitert und der Trend zur Selbstoptimierung und Wissenserweiterung durch Online-Angebote steigt.

Was ist ein Coaching-Vertrag überhaupt?

Ein Coaching-Vertrag ist ein Vertrag, in dem zwei Parteien regeln, dass ein Coach eine beratende und begleitende Position einnimmt, um Coachees zu individuellen Zielen zu verhelfen. Dies wohlbemerkt im Grundsatz ohne ein konkretes Erfolgsversprechen. Jeder Vertrag ist dabei individuell zu betrachten, da auch die Rechte und Pflichten der Parteien dort individuell festgehalten werden.

Was steckt hinter der Berufsbezeichnung Coach?

Wichtig zu wissen ist, dass der Begriff „Coaching“ nicht geschützt ist und sich daher auch jede:r „Coach“ nennen darf, wer darauf Lust hat. Es lohnt sich daher, auf die Qualifikation und eine etwaige Zertifizierung des Coaches zu achten und Bewertungen vorheriger Teilnehmer:innen kritisch zu lesen.

Entwicklung in der Coaching-Szene

Berater und Coaches gab es schon immer, was durchaus eine positive Angelegenheit ist. Denn ein gutes Coaching kann sehr zielführend sein. Beispielsweise kann ein Fitness-Coaching innerhalb kürzester Zeit große Erfolge bringen, wenn man einen Coach an der Seite hat, der die Ernährungsweise begleitet und die sportlichen Ziele überwacht. Zugleich kann ein Business Coaching insbesondere beim Start in die Selbständigkeit viele Umwege ersparen, wenn man eine:n erfahrene:n Sparring-Partner:in* an der Seite hat. Während der Corona-Pandemie hat sich insbesondere der Online-Markt rasant entwickelt. Ohne physische Anwesenheit der Vertragsparteien werden zunehmend Online-Coachings verkauft, sowohl an Verbraucher:innen, als auch an Unternehmer:innen. Die Leistungen sind unterschiedlich, von Fitness-, über Bewerbungs- und Zeitmanagement-, bis hin zu Motivations- und Businessaufbaucoachings. Die Aufzählung ist keineswegs abschließend und die Angebote sind weitreichend. Heutzutage gibt es wohl kaum etwas, was nicht im Rahmen eines Coachings angeboten wird.

Ein klarer Vorteil der rasanten Entwicklung ist, dass Coachees eine ortunabhängige Beratung erhalten, die auf ganz individuelle Ziele zugeschnitten ist. Die Nachteile für eine:n Coachee liegen dort, wo das Coaching entweder nicht die Erwartungen trifft oder tatsächlich nicht die Inhalte liefert, die Vertragsbestandteil geworden sind. Die gestiegene zeitliche und örtliche Flexibilität spielt dabei nicht nur den Coachees in die Tasche, denn auch die Coaches können entscheiden, wie und wo sie das Coaching anbieten und auch den Rahmen bestimmen, wie beispielsweise die Teilnehmerzahl. Damit ist eine beträchtliche Skalierung möglich geworden, die vorher undenkbar war.

Während der rasanten Entwicklung des Coaching-Marktes haben sich auch die Rechtsstreitigkeiten zunehmend verschärft.

Rechtliche Entwicklung

Die Entwicklung der Coaching-Szene samt zunehmender Streitigkeiten hat dazu geführt, dass sich die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland mit dem Coaching-Vertrag näher auseinanderzusetzen haben. Insbesondere liegen dabei die Online-Coachings im Fokus der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung legt besonderes Augenmerk auf etwaige Nichtigkeitsgesichtspunkte bei Coaching-Verträgen, wie beispielsweise nicht eingehaltene Garantieversprechen sowie Preise, die als so genanntes Wuchergeschäft bewertet werden könnten. Das Wort Nichtigkeit ist wohl jedem Unternehmer bekannt. Denn ein Vertrag, der nichtig ist, existiert rein rechtlich gesehen nicht. Zahlungen, die auf einen Vertrag getätigt wurden, der als nichtig zu qualifizieren ist, können zurückgefordert werden (§ 812 BGB). Auch etwaige Widerrufsrechte bei Coachings spielen immer wieder eine Rolle vor den Gerichten.

Die wohl überraschendste und relevanteste Entwicklung in der Rechtsprechung ist jedoch das sogenannte Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG). Das Gesetz stammt aus dem Jahre 1977 und hat bislang kaum eine Relevanz in der Rechtsprechung gefunden. Dies ändert sich nun mit § 7 Abs. 1 FernUSG. Diese Vorschrift spricht nämlich davon, dass ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, nichtig sei. Damit hatte sich die Rechtsprechung mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Verträge denn als „Fernunterricht“ zu definieren sind. Schauen wir in § 1 FernUSG, finden wir eine Definition: „Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der

– der*die Lehrende und der*die Lernende ausschließlich oder überwiegend (über 50%) räumlich getrennt sind und

– Der*Der Lehrende oder sein:e Beauftragte:r den Lernerfolg überwachen.

Die Voraussetzung der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten ist bei Coaching-Verträgen wohl immer zu bejahen. Die räumliche Trennung nimmt die Rechtsprechung dann an, wenn der Vertrag asynchron ausgeführt wird, also über 50% nicht „live/synchron“ stattfindet. Es kommt demnach darauf an, ob Lehrende:r und Lernende:r zeitgleich und nicht zeitversetzt zusammenarbeiten. Asynchron sind Coachings, die beispielsweise überwiegend an eine Videoplattform angebunden sind und größtenteils im Selbstlernmodus stattfinden. Nicht davon betroffen sind also Coachings, die überwiegend live stattfinden. Die Überwachung des Lernerfolgs nimmt die Rechtsprechung schon dann an, wenn Coachees Rückfragen stellen dürfen. Es bedarf also keiner Erfolgskontrolle, wie wir es von Studiengängen kennen. Für neugierige Leser:innen finden sich Einzelheiten in der Entscheidung des Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 1. März 2023 zum Aktenzeichen 3 U 85/22 und aktuell folgenden weiteren spannende Urteile.

Uneinigkeit herrscht seitdem in der Rechtsprechung darüber, ob die Anwendung des FernUSG nur gegenüber Verbrauchern zu bejahen ist oder ob auch im B2B- Coaching, Coachees sich unproblematisch auf das FernUSG berufen können. Eine Tendenz ist bereits zu erkennen. Insoweit haben sich bis zum 2. Quartal 2023 relativ klare Richtlinien der Rechtsprechung herausgebildet, die zeigen, ob bestimmte Coachings zu zertifizieren sind oder aber der Ablauf des Coachings zumindest für die Zukunft geändert werden muss, um nicht unter das FernUSG zu fallen. Für Coachees ist nun auch leichter zu erkennen, ob sie einen Rückgewähranspruch haben könnten. Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 19. Juli 2023 zum Aktenzeichen 304 O 277/23 nun eine Entscheidung getroffen, die deutlich weiter geht und das Anbieten von Coachings mit mehr Unsicherheit verbindet. Die gerichtliche Kammer sieht bereits eine Tonübertragung, beispielsweise per Zoom-Call, als einen Fall der räumlichen Trennung an, obgleich die Kammer selbst bestätigt, dass das Coaching durchaus synchron sein kann. Die gerichtliche Kammer erkennt jedoch eine höhere Schutzbedürftigkeit von Coaching-Teilnehmer:innen als alle Gerichte zuvor. Hiernach unterfallen jegliche Videocoachings dem FernUSG, soweit auch dort die Möglichkeit besteht, Rückfragen zu stellen. Die Entscheidung ist für Anbieter von Coachings derzeit gefährlich.

Was erwartet Coaches und Coachees

Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich, was die Zulassungspflicht und die damit einhergehende Nichtigkeit von Coachings anbelangt. Umso mehr lohnt es sich, die Entwicklung in allen Details zu beobachten, um auf etwaige Änderungen reagieren zu können. Für Anbieter:innen von Coachings ist es daher wichtig, streng mit der Zeit zu gehen und den Aufbau ihrer Coachings so zu gestalten, dass sie möglichst nicht angreifbar sind. Für Coachees hingegen besteht jetzt die Möglichkeit, aus Verträgen auszusteigen oder gezahlte Beträge zurückzufordern, soweit sie mit dem Coaching unzufrieden sind. Eine rechtliche Einschätzung zum Einzelfall ist derzeit unerlässlich.

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*eine Form der partnerschaftlichen Zusammenarbeit, bei der beide Seiten voneinander lernen und sich gegenseitig fördern.

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Irina Shafir, LL.M.
Content creation Legal & Gründung
Irina ist Kolumnistin für Gründerzeit. Rechtsanwältin Irina Shafir, LL.M. ist geschäftsführende Gesellschafterin der Shafir Legal Marketing GmbH und hat sich auf die (steuer-) rechtliche Branche konzentriert sowie rein auf das Marketing über die Plattform LinkedIn. Sie hat in knapp drei Jahren bereits über 29.000 Follower, hunderte von Mandaten und drei Mitarbeiterinnen gewonnen.