The FEMALE BRAND: Mit Romy & Anna finden Frauen* ihre Stimme

Im Interview mit:
Hannah Trute

Interview mit Romy Kölzer, Co-founderin von the FEMALE BRAND

In einem Interview mit Gründerzeit Magazin, blicken wir mit Romy, Co-founderin von the FEMALE BRAND – einer Personal Branding Agentur für Frauen* – zurück auf eine Zeit, in der sie eine andere Version von sich präsentiert. Hier ist sie Profi-Tennisspielerin.

Nach ihrem Abitur begibt sie sich nach South Carolina, einem Bundesstaat im Südwesten der USA, bekannt für subtropisches Klima und Sumpfgebiete. Mit einem Sportstipendium studiert sie hier Kommunikation im Bachelor, denn in Deutschland lässt sich eine Karriere im Profisport nicht so einfach mit einer akademischen Laufbahn kombinieren. Ihr Studium beendet sie in Virginia, mit einem Master in Leadership.

Wenn du professionell Sport treibst, beschäftigst du dich unglaublich viel mit dir selbst.”

Kurz danach reist sie über die Tennisplätze dieser Welt. In dieser Zeit ist sie häufig allein unterwegs – beim Tennis ist das ganz anders als bei Teamsportarten. Mit Hindernissen auf sich allein gestellt, schärfen Einzelsportler:innen auf diesen Reisen insbesondere einen Skill, nämlich das lösungsorientierte Denken”.  

Fast-Forward ins Jahr 2020. Der Winter erzwingt mit der Diagnose einer Autoimmunkrankheit einen längeren Krankenhausaufenthalt und Zeit allein. Romy ist klar, sie möchte “einen Wandel in der Welt bewirken und Tennis ist nicht das Vehikel, mit dem sie diese Veränderung schaffen kann”.

Das Team hinter the FEMALE BRAND

Ihre Co-Founderin, Anna Müller, Gründerin der Digitalagentur MUYDOZO lernte sie auf einer ihrer eigenen Veranstaltungen kennen. Denn als Alternative zu aufgesetzten Netzwerk-Events gründete Romy in Köln eine Plattform zur Wissensvermittlung, auf welche sie Speakerinnen*, darunter auch Anna, einlud. Diese Begegnung blieb ihr im Kopf, denn bei der Ideenfindung rief sie Anna direkt aus Portugal an und pitchte ihr die Idee.

Die Gründer:innen stellten ihre Vision von the FEMALE BRAND innerhalb eines Monats auf die Beine. Den schnellen Start hat das Unternehmen neben dem Gründergeist der beiden auch den Teams der bestehenden Agentur zu verdanken, die das Konzept der Frauen gewinnen sehen wollte.

The FEMALE BRAND Camp

Im Januar dieses Jahres feierte the FEMALE BRAND mit einem Personal Branding Camp den ersten Auftritt. Neun Teilnehmerinnen wurden auf der Reise nach Belgien von acht Teammitgliedern betreut, darunter auch Social Media Größen wie Hans Neubert und Franz Wegner. Die fünf Tage drehten sich rund um den Aufbau einer Personal Brand, darunter Workshops zur Findung einer persönlichen Nische und unendlichen Content-Maschinen für das eigene Social Media Storytelling.

Betreuen die beiden nicht gerade 16 Stunden am Tag Campmitglieder, finde die Work-Life-Balance einen größeren Stellenwert in ihrem Leben. Romy erreiche ihre Zielsetzung von 30 bis 40 Wochenarbeitsstunden, unter anderem durch die Aufteilung ihrer Woche in Thementage, mit dem täglichen Fokus auf ein bestimmtes Kernthema.  

Fehler beim Aufbau einer Personal Brand

Wichtig ist der Coachin und Gründerin, dass die Teilnehmer:innen beim Aufbau ihrer Personal Brand klare Prioritäten setzen. Die Arbeit an der eigenen Personenmarke sollte entweder ganz oder gar nicht verfolgt werden, sonst ist es eine reine Zeitverschwendung”. Die Ausrichtung der Inhalte sei außerdem stark davon abhängig, welches Ziel Nutzer:innen verfolgen würden, wie der Akquise oder Sichtbarkeit als Speaker:in oder Gründer:in.  

Mein Netzwerk kannte mich nur als Romy, die Tennisspielerin, die sonst nichts kann.”

Sowohl in unserem Gespräch, als auch auf LinkedIn, zeigt sich Romy sehr wohl in ihrer Haut. Ihr Ausstieg aus dem Profisport forderte, sich aus einer neuen Perspektive kennenzulernen. Dieses neue Selbstbild zu akzeptieren, erleichterte ihr die Teilnahme bei Miss Germany. Hier erreichte sie als Vize-Miss Germany 2023, die Top 10. Hinter diesem Titel versteckt sich heute kein Wettbewerb mehr, ausgerichtet auf das Schönheitsideal der Zeit, sondern auf die Persönlichkeit von Frauen. Während im Jahr 1927, Frauen noch auf der Bühne vermessen und ein Wert anhand ihrer Körper zugesprochen wurde, gehe es heute um Feminismus, persönliche Weiterentwicklung und Community Building.

Miss Germany hat Gespräche mit unglaublich tollen Frauen ermöglicht”.

Im Rahmen von Workshops und Masterclasses lernen die Teilnehmer:innen, für ihre Missionen einzustehen und ihre individuelle Stimme zu finden. Miss Germany ist damit heute eher eine Plattform als eine Miss-Wahl. So verabschiedeten sich die Veranstalter 2019 vom Bikini-Walk und auch die Krone musste zwei Jahre später gehen. Die Auflösung von Kriterien wie der Altershöchstgrenze und des Familienstandes im Jahr 2023 waren längst überfällig. Verantwortlich für den frischen Wind ist der Enkel des Gründers und ehemaligen Moderators. Angestoßen wurde dieser Wandel jedoch vom Gründer selbst, der erkannte, dass die dritte Generation viel eher mit dem Geist der Zeit gehen würde.

Ich fühle mich eingeengt, wenn ich groß denke”

Wir haben Romy gefragt, welche Werte sie aus ihrer Zeit in den USA vermisst. Ohne zu zögern, nennt sie Offenheit für großes Denken”. Sie fühle sich schnell eingeengt, wenn sie ihre Visionen öffentlich teilt. Diese Beklemmung mag widerspiegeln, wie sich auch andere junge Menschen in Deutschland fühlen. Nicht nur die Anzahl der Studienanfänger:innen und damit Absolvent:innen in den MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, gehen zurück, sondern es fehlen Investitionen in die Infrastruktur, die so essenziell für die Ausbildung und Attraktivität eines Standortes sind. Geduld ist die Grundzutat für den Durchlauf von Genehmigungsverfahren und im europäischen Vergleich stehen wir vor einem Rückstau von 20 Jahren im Thema Digitalisierung.

Coaching ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen nachhaltige Veränderungen schafft”

Romy gibt uns auch einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen der Coaching-Szene aus der Perspektive einer Coaching-Anbieterin und macht dabei insbesondere auf zwei Felder aufmerksam, die sie kritisch sehe. Seit einiger Zeit beobachtet sie den Sinkflug der Angebotspreise, mit dem Full-Time Coaches nicht mehr mithalten könnten und wollten.

Solche Veränderungen sind erklärbar, denn seit einigen Jahren boomt die Branche. Ist ein Markt gerade lukrativ, zieht das neue Anbieter:innen an. Das Angebot wird damit nach oben getrieben, während sich der Profit schmälert. Preise stabilisieren sich erst wieder, wenn nicht alle Anbieter in diesem Markt dauerhaft überleben.

Schwierig findet sie außerdem die Kurzatmigkeit mancher Coachingangebote, denn wir Menschen werden von unseren Gewohnheiten beherrscht, deren Optimierung kontinuierlicher und langfristiger Arbeit bedürfen.

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Du kannst Romys Reise weiterhin auf LinkedIn verfolgen oder in unser Gespräch auf Spotify reinhören.  

Anmerkung der Redaktion: Das Gender-Sternchen (*) dient als Verweis auf den Konstruktionscharakter von „Geschlecht“. Das Sternchen hinter „Frauen“ soll verdeutlichen, dass es sich auf alle Personen bezieht, die sich unter der Bezeichnung „Frau“ definieren, definiert werden und/oder sich sichtbar gemacht sehen. Im Hinblick auf Benachteiligung und sexistische Diskriminierung gegenüber Menschen, die sich nicht in der Norm von Zweigeschlechtlichkeit verorten können oder wollen, sehen wir von Gründerzeit hier auch unsere Verantwortung gegenüber trans*, inter* und nicht-binären Menschen. Dabei sind wir uns bewusst, dass bereits die Einordnung geschlechtlicher Vielfalt unter dem Begriff „Frauen*“ eine Wiederholung diskriminierender Gewalt ist und somit nicht als Lösung, sondern nur als Prozess verstanden werden kann.

Hier findet ihr weitere alltagsfreundliche Ressourcen für gendergerechte und inklusive Sprache.

Hannah Trute
Content Creation Legal & Tech
Hannah ist studierte Juristin aus Berlin. Bei Gründer Studios stellt sie Gründer:innen in das Spotlight, das sie verdienen. Ihre Mission ist es, Recht und PR zu vereinen und komplexere Themen zugänglicher zu machen.