Bei Driller Queens nehmen Frauen* die Werkzeuge selbst in die Hand

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Veröffentlicht am: 
March 15, 2024
Im Interview mit
Jenny Wüstner

Charly Machin will mit ihrem Startup Driller Queens Geschlechterklischees im Handwerk aufbrechen. Dafür hat sie die erste inklusive, LGBTQ+-freundliche Handwerks-Plattform in Berlin gegründet, die Renovierungsarbeiten aller Art anbietet.

Bei Driller Queens arbeiten 16 Handwerker:innen, die dabei helfen, die Konventionen des traditionellen Handwerks in Frage zu stellen. “Es macht überhaupt keinen Sinn, dass hauptsächlich Männer im Handwerk tätig sind. Frauen* sind genauso talentiert, genauso fähig” so Charly Machin, die wir für Gründerzeit Magazin interviewt haben.

Die seit 2015 in Berlin lebende Britin hat weder einen klassischen Hintergrund im Handwerk noch hat sie Wirtschaft studiert, um ihr Unternehmen zu gründen. Das ist laut Charly Machin aber genau ihre Stärke: “Ich dachte früher immer, mein unkonventioneller Hintergrund im Grafik-Design ist eine Schwäche, aber ich glaube, dass Innovationen entstehen, wenn dir nicht beigebracht wird, wie du etwas zu tun hast.”

Dafür hat sie es schon immer geliebt, zu handwerken und sie ist mit einem großen Vorbild aufgewachsen: Ihre Mutter hat die Häuser und Wohnungen, in denen sie gelebt haben, immer selbst renoviert. Als Charly 2015 nach Berlin zog, tat sie ihr das nach und renovierte ihre Wohnung im Alleingang.

Der tiefe Wunsch nach mehr Gleichberechtigung

2018 begann startete die Reise von Driller Queens als Nebentätigkeit mit dem tiefen Wunsch, Diversität ins Handwerk zu bringen und zu einem sicheren Ort für alle Menschen zu machen, die Hilfe bei Renovierungen benötigen. Nachdem Charly erfolgreich ihre eigene Wohnung renovierte, nutzte sie ihre Fertigkeiten und unterstützte Freund:innen und ihrem erweiterten Netzwerk bei Renovierungsarbeiten. Innerhalb eines Jahres merkte sie bereits, wie wirkungsvoll sie vielen Menschen helfen konnte. Außerdem macht es ihr viel Freude, mit ihrer Bohrmaschine durch Berlin zu laufen und die Wohnungen von Berliner:innen zu verschönern.

2020 war es dann Zeit, aus diesem Side Hustle ein richtiges Unternehmen zu machen: Charly Machin launchte ihre Online-Plattform Driller Queens, über die sich Berliner:innen eine Queen –so nennt die Gründerin liebevoll ihre Handwerker:innen- buchen können. Es können verschiedenste Renovierungsarbeiten angefragt werden, die Driller Queens bauen zum Beispiel auch Möbel auf.

Driller Queens: Safe Place für Frauen* und LGBTQ+ Community

Driller Queens soll ein “Safe Space” sein, also ein sicherer Ort für alle: Für die angestellten Handwerker:innen, die oftmals Diskrimierung im klassischen Handwerk erfahren, aber auch für Kund:innen, die sich unsicher fühlen, männliche Handwerker in ihre eigenen vier Wände zu lassen. 80% des Driller Queens-Teams identifiziert sich als weiblich, trans und nicht-binär, aber Charly Machin betont ganz ausdrücklich, dass alle Geschlechter willkommen sind.

Langfristig möchte sie ein “New Normal” erreichen, bei dem niemand mehr aufgrund des Geschlechts oder sexueller Orientierung diskriminiert oder ausgeschlossen wird. “Wir müssen den Standard anheben. Innovation im Handwerk bedeutet nicht, alles schneller zu machen und damit mehr Geld zu verdienen, sondern die Industrie diverser und nachhaltiger zu gestalten”, so Charly Machin. “Fakt ist, dass es bisher ein Berufsfeld ist, das für Frauen* unattraktiv und diskriminierend ist und sogar gefährlich sein kann, wenn man nicht den gängigen Geschlechternormen entspricht.” Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der US-Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) dokumentiert, dass besonders Frauen* und Menschen mit unterschiedlichen ethnischen Hintergründen bei der Jobsuche im Handwerk abgelehnt, am Arbeitsplatz belästigt werden und öfter Missständen ausgesetzt sind als weiße, heterosexuelle Handwerker.

So revolutionär klingt das alles gar nicht, oder? Ist es aber! Denn das Handwerk ist extrem männlich geprägt. 2022 waren nur 10% der Erwerbstätigen in Handwerksberufen in Deutschland weiblich. Im Englischen kann man den Beruf des Handwerkers (Handyman) ohne das Wort Mann gar nicht beschreiben.  

Genauso kritisch ist die männlich geprägte Handwerkskultur aber auch für Kund:innen. Es gibt kaum etwas intimeres als einen fremden Menschen in seine eigenen vier Wände zu lassen, ins Badezimmer, in das eigene Schlafzimmer. Wer kennt es nicht als alleinstehende Frau* (und vielleicht auch als Mann), wenn ein Handwerker gerade bei einem zu Hause ist? Genau dieses Unbehagen, dass Menschen sich unsicher fühlen oder sogar in Gefahr sind, möchte Charly Machin mit Driller Queens gänzlich abschaffen.

Was Queen sein bedeutet? Teil einer Community sein

Wie wichtig die Idee von Driller Queens ist, zeigt sich an den gut gefüllten Auftragsbüchern, aber auch an dem Impact für die Handwerker:innen. Eine Transfrau, die als Queen arbeitete, schrieb Charly Machin, nachdem sie Deutschland verlassen hat, einen Brief: Die Arbeit bei Driller Queens erlaubte ihr, sich endlich wie sie selbst zu fühlen, willkommen zu sein und zu etwas Besonderem dazuzugehören.

Charly Machin berichtet uns, dass die Queens oft nicht realisieren, wie großartig sie sind und was für eine tolle Arbeit sie leisten. “Es ist schön zu sehen, wie ihr Selbstvertrauen steigt durch die Bestärkung, die die Arbeit bei Driller Queens ihnen bietet. Ich möchte all diese Frauen* empowern und ihnen helfen, ihre Identität zu finden in einer Welt, die von binären Geschlechternormen geprägt ist”, so die Gründerin.

Demnächst stehen große Dinge an bei Driller Queens: Charly Machin sammelt momentan Funding für ihr Startup, um weiter zu wachsen. Sie möchte den Service von Driller Queens deutschlandweit anbieten, das Produkt weiterentwickeln und verbessern sowie in Sales und Marketing investieren, um mehr Aufmerksamkeit für ihre wichtige Mission zu bekommen. Den jetzigen MVP hat Charly Machin mit Standardsoftware, Automatisierungen und Kundenunterstützung erstellt. Dieser ermöglicht es ihr, schon heute über 1.500 Kunden zu bedienen und eine durchschnittliche jährliche Umsatzsteigerung von 62 Prozent zu erzielen. Mit der zusätzlichen Finanzierung möchte Charly Machin diese Basis nutzen, um ein deutschlandweit skalierbares Produkt auf den Markt zu bringen.

Was können wir im Alltag tun, um inklusiver zu werden?

Charly Machin wäre nicht die Gründerin einer inklusiven Plattform für Handwerker:innen, wenn sie sich nicht schon so einige Gedanken über Diversität gemacht hätte und darüber, wie wir Geschlechterrollen den Kampf ansagen. Im Interview haben wir sie gefragt, was jede:r von uns im Alltag tun kann, um inklusiver zu werden. Ihre Antwort: Ganz einfach! Nutzt gendergerechte Sprache, bei der sich alle Menschen in unserer Gesellschaft willkommen fühlen. Es fängt so klein an, aber Sprache prägt die Gesellschaft und wenn wir ehrlich sind: Es ist eigentlich so einfach.

Wir danken Charly Machin für das inspirierende Gespräch und sind uns sicher, dass sie noch so einige Klischees in Deutschland aufmischen wird.

Mehr über Driller Queens kannst du hier erfahren: https://www.drillerqueens.com/

Folge Driller Queens auf Instagram: https://www.instagram.com/drillerqueens/

Oder Charly Machin direkt auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/charlymachin/

Anmerkung der Redaktion: Das Gender-Sternchen (*) dient als Verweis auf den Konstruktionscharakter von „Geschlecht“. Das Sternchen hinter „Frauen“ soll verdeutlichen, dass es sich auf alle Personen bezieht, die sich unter der Bezeichnung „Frau“ definieren, definiert werden und/oder sich sichtbar gemacht sehen. Im Hinblick auf Benachteiligung und sexistische Diskriminierung gegenüber Menschen, die sich nicht in der Norm von Zweigeschlechtlichkeit verorten können oder wollen, sehen wir von Gründerzeit hier auch unsere Verantwortung gegenüber trans*, inter* und nicht-binären Menschen. Dabei sind wir uns bewusst, dass bereits die Einordnung geschlechtlicher Vielfalt unter dem Begriff „Frauen*“ eine Wiederholung diskriminierender Gewalt ist und somit nicht als Lösung, sondern nur als Prozess verstanden werden kann.

Weitere alltagsfreundliche Ressourcen für gendergerechte und inklusive Sprache:

Genderwörterbuch
Jenny Wüstner
Content Creation Health Care & Tech
Jenny bringt ihre jahrelange Erfahrung in der PR-Arbeit und Thought Leadership Positionierung für DAX-CEOs, Gründer:innen und Top-Management zu Gründer Studios.
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