Mit GEMESYS wird es das erste Mal möglich sein, eine leistungsstarke künstliche Intelligenz nicht nur im Datencenter zu trainieren, sondern auch auf mobilen Endgeräten. Das Team rund um die Gründer Moritz Schmidt, Dr. Dennis Michaelis, Dr. Enver Solan und Daniel Krüger entwickelt einen Chip, der Informationen genauso verarbeitet wie das menschliche Gehirn: Extrem effizient.
Dieser Ansatz ist so neu, dass laut dem Co-Gründer und CEO von GEMESYS, Dr. Dennis Michaelis, die Anwendungsbereiche erst einmal erarbeitet werden müssen. Im Interview mit Gründerzeit Magazin erzählt er uns, warum es höchste Zeit ist, dass die Chip-Industrie revolutioniert wird.
Das Deep-Tech Startup GEMESYS wurde im März 2023 als Spin-Off der Ruhr-Universität Bochum gegründet. Die beiden Co-Founder Dr. Dennis Michaelis und Dr. Enver Solan waren Teil einer interdisziplinär aufgestellten Forschungsgruppe an der Ruhr-Universität Bochum, als sie bemerkten, dass eine Brücke zwischen der Biologie, der Psychologie und den Materialwissenschaften geschlagen werden muss, um die Effizienz des Gehirns auf elektronische Hardware zu übertragen. Heute besteht GEMESYS aus 15 Mitarbeitenden: Den vier Gründern sowie einem Software-, einem Hardware- und einem Business Development-Team. Aus Bochum heraus entwickeln sie den ersten Chip weltweit, der ähnlich wie das menschliche Gehirn funktioniert und künstliche Intelligenz (KI) in mobilen Endgeräten ausführen und trainieren kann.
Für Deep Tech gibt es bisher keine eindeutige Definition, aber seit 2015 wird der Begriff vermehrt verwendet für Startups, die besonders disruptive und forschungsintensive Technologien in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Machine Learning, Sprach- und Bildverarbeitung, Biotechnologie, Robotik, Elektronik und Photonik, sowie Quantencomputing entwickeln. Deep-Tech Startups zeichnen sich durch ein hohes Technologie- aber ein geringes Marktrisiko aus.
Revolution in der Chip-Technologie
Die Innovation, die GEMESYS vorantreibt, liegt in der Art und Weise, wie ihr Chip funktioniert. Denn das Konzept, auf dem aktuell genutzte Chips basieren, ist jahrzehntealt und kommt aus einer Zeit, in der künstliche Intelligenz so wie wir sie heute verwenden, noch nicht existierte. Im herkömmlichen Ansatz sind Speicher und Prozessor getrennt, was zu erheblichem Datenstau und Energieverlust führt. Im Gegensatz dazu funktioniert das menschliche Gehirn als eine Einheit ohne diese Engpässe. Leistungsstarke, künstliche neuronale Netze benötigen komplette Server-Etagen an Platz und verbrauchen teilweise so viel Energie wie eine ganze Stadt. Das Gehirn ist da kompakter, immer noch leistungsstärker als die beste KI und verbraucht nur so viel Energie wie eine Glühbirne. Das Ziel von GEMESYS ist es, diese Effizienz auf elektrische Hardware zu übertragen und eine 10.000-fache Verbesserung zu erzielen. Dies bedeutet eine erhebliche Leistungssteigerung bei niedrigem Energieverbrauch auf geringem Raum und eröffnet zum ersten Mal die Möglichkeit, Hochleistungs-Chips in batteriebetriebene Geräte zu integrieren.
Welche Vorteile hat es, KI lokal und nicht mehr nur im Datencenter trainieren zu können?
Die Gründer sind aber auch neugierig auf neue, bisher unentdeckte Anwendungsbereiche. Ähnlich war es auch beim Personal Computer. Früher wurden PCs nur in Laboren eingesetzt. Mit dem Tag, an dem Computer auch von Konsumenten benutzt werden konnten, haben sich unzählige neue Möglichkeiten aufgetan. Vorhersehen konnte man diese Entwicklung damals nicht.
In 7 Jahren die Komplexität des Gehirns erreichen
Der Prototyp von GEMESYS steht: Das Team hat es geschafft, ihre Neuronen- und Synapsenmodelle in Hardware zu übertragen und die Funktionalität des Chips zu zeigen.
Nun geht es um die Skalierung: Dr. Dennis Michaelis und sein Team wollen auf eine möglichst kleine Fläche viel Intelligenz packen und in sieben Jahren die Komplexität des Gehirns nachbilden.
Parallel arbeitet das Software-Team an der Parametereffizienz ihres Chips, um weniger Parameter für das Trainieren eines Algorithmus zu benötigen. Ein Parameter ist ein Wert, der beim Trainieren eines Algorithmus “gelernt” wird. Die meisten Machine Learning Verfahren bestehen aus zwei Algorithmen, dem Trainingsalgorithmus, der das Programm auf Basis der verfügbaren Daten und vorhandenen Parameter trainiert und dem Inferenzalgorithmus, der die gewonnen Erkenntnisse anwendet und konkrete Ergebnisse berechnet. Um das Ganze etwas anschaulicher zu machen: Für Algorithmen, für die man heute noch Milliarden von Parametern zum Trainieren benötigt, möchte das Team von GEMESYS in Zukunft nur Millionen oder sogar Hunderttausende von Parametern benötigen.
Deep Tech aus dem Ruhrpott
Das Gründungsteam von GEMESYS hat seit ihrer Gründung 2023 bereits einige Meilensteine erreicht. Sie haben erfolgreich Preisgelder von verschiedenen Wettbewerben in Höhe von über einer halben Millionen Euro gewonnen und sind Teil des EXIST-Forschungstransfers, der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ins Leben gerufen wurde. An der außergewöhnlich hohen Förderung erkennt man das große Potenzial von GEMESYS.
Da der Prototyp mittlerweile steht, liegen die aktuellen Prioritäten des Teams in der Skalierung ihrer Technologie, der noch engeren Zusammenarbeit mit dem Kundenkreis und der Erschließung weiterer Partnerschaften. Außerdem ist eine weitere Finanzierungsrunde geplant, um weitere Talente ins Team zu holen. Das ist in Deutschland nicht einfach. Das Problem: Im Ausland sind Deep-Tech-Startups oft mit höheren Investments ausgestattet und können ihren Mitarbeitenden dementsprechend höhere Gehälter zahlen.
Dass der Technologie-Standort Deutschland gesichert werden soll und die Unterstützung von Deep-Tech-Unternehmen auf die politische Agenda gesetzt wurde, ist bereits seit Anfang diesen Jahres klar: Das Wirtschaftsministerium verkündete, dass es 1 Milliarde Euro in den DeepTech & Climate Fonds (DTCF) investieren werde. Ein gutes Signal, aber gleichzeitig müsse laut Dr. Dennis Michaelis Bürokratie umfassend abgebaut werden, um Startups nicht künstlich zu blockieren und ihre Innovationskraft zu hemmen.
In einer Zeit, in der Innovationen aus Deutschland immer wichtiger für die Zukunft des Standortes werden, könnte GEMESYS zu einem bedeutenden Akteur und Disrupteur in der globalen Chip-Industrie werden. Ihr Ansatz, die Funktionsweise des menschlichen Gehirns auf elektronische Hardware zu übertragen, könnte in der Zukunft so revolutionär sein wie damals die Erfindung des Computers. Wir drücken den vier Gründern die Daumen für die nächsten Schritte der Produktentwicklung und werden den Weg von GEMESYS auf jeden Fall weiter verfolgen.
Hier erfahrt ihr mehr über GEMESYS: https://gemesys.tech/