Mit Rechtstexten Menschen erreichen

Unser Gespräch auf Spotify
Veröffentlicht am: 
March 15, 2024
Im Interview mit
Hannah Trute

Legal Layman zeigt Jurist:innen, wie Jura für Nichtjurist:innen gelingen kann. Dafür haben die Gründer:innen Anna Murk LL.M. und Justin Völkel LL.M. ganz eigene Werkzeuge und Herangehensweisen entwickelt.

Status Quo: Rechtstexte werden für die Schublade geschrieben

Die beiden Unternehmer:innen haben sich mit Legal Layman auf eine Nische spezialisiert, die als Legal Communication bekannt ist. Das bedeutet, dass sie juristische Informationen so vereinfachen, gestalten und über- bzw. vermitteln, dass sie auch juristische Laien verstehen können. Denn wer gar nichts von Regelungen in AGB, NDAs, internen Richtlinien o.ä. weiß oder sie nicht versteht, kann sich auch nicht an sie halten. Und damit ist in der Praxis niemandem geholfen: Jurist:innen ärgern sich über Regelverstöße und Nichtjurist:innen müssen mit damit entsprechenden Konsequenzen rechnen. Eine laienorientierte Kommunikation von Recht ist damit die Brücke, die die Theorie mit der Praxis verbindet und dafür sorgt, dass das Recht nicht nur auf dem Papier funktioniert, sondern auch im Alltag umgesetzt werden kann. Legal Communication verbindet dazu Recht, Wirtschaft, Design und Psychologie.

Ein Fokus juristischen Arbeitens liegt in seiner Präzision. Denn wer in diesem Bereich tätig ist, wird für die Produktion korrekter und rechtssicherer Ergebnisse entlohnt. Im O-Ton bedeutet Rechtssicherheit oftmals Detailreichtum, denn es braucht Klauseln, die sich mit unterschiedlichsten Eventualitäten beschäftigen. Je komplexer ein Produkt, in diesem Fall der Rechtstext, desto unterschiedlicher sind die Perspektiven von Produzent:in und Nutzer:in. In der Rechtsbranche divergiert das Erlebnis außerdem so stark, da Dokumente von langjährig ausgebildeten Expert:innen für juristische Laien geschrieben werden, die sich mit unvertrauten Formulierungen und Begriffen konfrontiert sehen. Arbeitgeber-Richtlinien, AGB und Datenschutzerklärungen erhalten daher selten unsere Aufmerksamkeit. Sie zu verstehen würde bedeuten, ihnen erhebliche Zeit und Aufwand zu widmen.

So wie versteckte technische Abläufe eines technischen Gerätes durch Simplizität und Visualisierung überbrückt werden können, lassen auch juristische Texte eine Anpassung an den Endnutzer zu. Legal Communication setzt genau an diesem Schmerzpunkt an und hinterfragt, wie Laien juristische Prozesse wahrnehmen und verarbeiten, um Texte zugänglicher und verständlicher zu machen.

„Gute Rechtstexte sind mehr als nur Sprache und Verständlichkeit“

Verfasser:innen dieser Rechtstexte sind zwar hoch qualifiziert im Verstehen und Bearbeiten komplexer Sachverhalte, jedoch selten darin geschult, die nötige Empathie einfließen zu lassen, die es braucht, um „Leser:innen den Sinn der Texte zu vermitteln“. In einem Interview mit Gründerzeit Magazin zeigten uns die beiden Co-founder Herangehensweisen, um an dieser Stelle auszuhelfen.

Ist ein Dokument einmal geschrieben, sollte es aus vier Perspektiven betrachtet werden:

Aus einer Distanz

Der Text sollte zunächst aus einer gewissen Distanz betrachtet werden, um besser einschätzen zu können, welche Wirkung sich bei der ersten visuellen Wahrnehmung entfaltet. Eine erste Orientierung bieten Fragen, wie „Kommt Lust auf, näher heranzutreten und sich mit dem Inhalt zu befassen oder möchte ich ihn lieber direkt abheften?“

An den Text herantreten

Dann treten wir näher heran, bis wir Überschriften lesen können. „Brechen diese bereits verständlich das Thema des Textes herunter und fühle ich mich von diesen Inhalten persönlich und emotional angesprochen? Ist mir die Struktur ersichtlich?“

Die Lektüre-Perspektive einnehmen

Wenn der Text dann direkt unter der Nase liegt, werden Sprache und Verständlichkeit geprüft. Insbesondere sollte auf die Verständlichkeit von Handlungsanweisungen geachtet und durch Beispiele untermalt werden.

Den Raum verlassen

Schließlich fragen wir uns, was bleibt, wenn wir den Raum verlassen haben. „Hat der Text mein Interesse geweckt? Deckt sich mein Aufwand, den Text zu lesen mit dem Mehrwert an Wissen, das ich erlangen konnte?“

Mit intrinsischer Motivation arbeiten

Ein weiteres Hilfsmittel ist die Arbeit mit einer intrinsischen Motivation für Rechtsgebiete, die Laien üblicherweise als „trocken“ und abstrakt empfinden.

Leser:innen entwickeln eine gewisse Motivation, wenn der Schutz, den ein Rechtstext für sie entfalten soll, hervorgehoben und ein Mehrwert für ihr Leben erkenntlich wird. Ein Negativbeispiel in der Kommunikation ist häufig der Datenschutz, der insbesondere in gesellschaftlichen Unterhaltungen verpönt wird. Dabei geht es eigentlich darum, Menschen vor dem willkürlichen Umgang ihrer Daten durch Dritte zu schützen. Denn „niemand möchte an einer Werbetafel, geschmückt mit dem eigenen Partyfoto vorbeilaufen, das ein Alkoholhersteller vom Instagram-Profil gezogen hat“.

Neue Prozesse nicht als Schwäche betrachten

Das Visualisieren von Rechtstexten und deren benutzerfreundliche Gestaltung ist ein neues Element der Rechtsbranche. Anna nutzte diese Denkmuster jedoch schon zu Studienzeiten für sich, verstand es damals aber noch als Schwäche, komplexe Sachverhalte für eine saubere Arbeit in ihre Einzelteile herunterbrechen zu müssen. So half es ihr beispielsweise, einen Konzern als Mutter und Tochter zu visualisieren.

Zum Erfolgskonzept von Legal Layman gehört heute mehr, als die Simplifizierung von Konzepten durch eine Kombination von Recht und Design. Die beiden Gründer:innen verfolgen eine Go with the flow Mentalität, wenn es um das Umsetzen neuer Pläne geht. Reagiert der Markt anders auf eine Businessidee als erwartet oder funktioniert etwas in der Realität nicht, wird die Idee angepasst oder ausgesondert.

Erfolgreich Gründen bedeutet konstante Weiterentwicklung

Ein erfolgreiches Unternehmen von Grund aufzubauen, setzt Offenheit für persönliche Weiterentwicklung und den Willen, sich in ganz neuen Bereichen zu entfalten, voraus. So sind auch Anna und Justin trotz ihres nischigen corporate business zu Generalist:innen geworden. Zu den täglichen to-do‘s gehören damit auch Bereiche, wie Buchhaltung, Steuern, Design, Social Media und der Bau einer ansprechenden Webseite. Deswegen setzt Legal Layman auf Delegation. „Wir schauen genau, wem welche Aufgabe besser liegt und mehr Spaß bringt.“

Ein Grund, warum die Delegation von Aufgaben bei Legal Layman so gut funktioniert, ist, dass das Gründungsteam ganz unterschiedliche Rollen bekleidet. Die beiden sind der Beweis, dass „diversity management bereits bei zwei Personen anfängt.“ Während Justin in die Rolle eines Analytikers schlüpft, zu Fragen recherchiert und das Backoffice im Blick hat, agiert Anna als Sprachrohr von Legal Layman. Durch sie genießt das Unternehmen eine große Präsenz in den sozialen Medien und profitiert von einem kreativ-innovativen Ideenfluss. Laut Anna „sollte es keine Überzeugungsarbeit brauchen, um die richtigen Co-Founder an Board zu bekommen, denn dann werden die Herzen niemals für die gleiche Vision schlagen.“

Dass die Ideen von Legal Layman gefragt sind, zeigt sich auch durch das Interesse von Großkunden wie der Sparkasse, Payback und dem TÜV Süd. In der Zusammenarbeit wird die Kommunikation und der Medieneinsatz zu juristischen Laien verbessert und im Rahmen von Schulungen gezeigt, welche Inhalte implementiert werden müssen, um eine Zielgruppe emotional zu erreichen.

„Zu Selbstvertrauen gehört sich Trauen“

Die Unternehmerin empfiehlt künftigen Gründer:innen ihren Zweifel aus zwei Perspektiven zu begegnen, indem sie für sich klar beantworten, wie ein worst and best case Szenario für ihr persönliches Leben aussehen würde. Sollte eine Gründung nicht klappen, kann man auf ein Angestelltenverhältnis zurückfallen und ist reicher an Erfahrungen und Wissen aus Bereichen, die auf andere Weise schwer zugänglich sind. Spannend wird es laut Anna mit einem Blick auf das best-case Szenario. Hier entwickelt sich schnell ein Tatendrang, der fehlendes Vertrauen in das eigene Können verdrängt.

Die Juristin beschreibt die Phase bildlich mit einer Autofahrt. Bevor wir uns hinter das Lenkrad setzen, analysieren wir nicht, an welchen Stellen wir Umleitungen fahren müssen, im Stau stehen oder einen Stopp machen, um zu tanken. Sondern schmeißen das Navi an und fahren mit einem Ziel im Kopf und einem groben Verständnis von den Eventualitäten los.

Menschen glauben häufig, sie müssten Selbstvertrauen erst aufbauen, bevor sie auf den Weg zu ihren Träumen aufbrechen. Aber „manchmal muss man sich selbst den nötigen Vertrauensvorschuss geben und der ist nirgendwo besser aufgehoben als bei sich selbst“. Es hilft außerdem, darin einen fließenden Prozess zu sehen und „mit jedem Trauen zu verfolgen, wie das Selbstvertrauen ein bisschen wächst“.

Das Problem an der Wurzel packen: Jura zugänglicher machen

Um juristische Vorgänge für Laien zugänglicher zu gestalten, lohne es sich laut Anna, an zwei Punkten anzusetzen. Zum einen sollten Jurist:innen überlegen, wie eine moderne Kommunikation aussehen kann, statt sich weiterhin veralteter Formate zu bedienen. Zum Anderen sollte die Berührung mit Recht als Gewohnheit etabliert werden, indem mehr Lehreinrichtungen, Berührungen zu Jura schaffen.

Legal Layman hilft Unternehmen bei der Umsetzung von Meldesoftware

Unternehmer:in zu sein bedeutet auch, persönliche Geschichten der Nutzer:innen des Produktes zu verfolgen. So hat auch Legal Layman geholfen, eine ab 50 Mitarbeitenden verpflichtende Hinweisgeber-Software so zu kommunizieren, dass Fehlverhalten erstmalig gemeldet wurde. Wie wichtig die richtige Kommunikation ist, zeigt sich gerade in Hochrisikofeldern wie Kliniken, in welchen Fehlverhalten zum Verlust von Menschenleben führen kann. Bei schlechter Aufarbeitung meiden Betroffene den Gebrauch solcher Softwarelösung trotz deren Verfügbarkeit. Sie fragen sich beispielsweise, ob ein bestimmtes Verhalten bereits als Fehlverhalten einzustufen ist, welche Konsequenzen folgen werden und ob sie mit der Meldung einen Fehler machen. Wenn sie aber verstehen, dass es darum geht, Verhalten zu melden, das ihnen und anderen Menschen oder dem Unternehmen schaden könnte, wird ihnen ein großer Schub Selbstvertrauen in die eigene Einschätzung gegeben.

Die Zukunft bringt Templates von Legal Layman

In der Zukunft dürfen Jura-affine Leser:innen sich über templates von Legal Layman freuen, die eine visuelle Umsetzung von Rechtstexten vereinfachen werden. Sie sollen Nutzer:innen nicht nur in einem aktuellen Projekt helfen, sondern ein Verständnis vermitteln, wie Rechtstexte auch in Zukunft besser visualisiert werden können. Diese werden zum Download zur Verfügung stehen.

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Hannah Trute
Content Creation Legal & Tech
Hannah ist studierte Juristin aus Berlin. Bei Gründer Studios stellt sie Gründer:innen in das Spotlight, das sie verdienen. Ihre Mission ist es, Recht und PR zu vereinen und komplexere Themen zugänglicher zu machen.
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