Mazing revolutioniert den E-Commerce: Wie wir in Zukunft einkaufen

Unser Gespräch auf Spotify
Veröffentlicht am: 
August 23, 2024
Im Interview mit
Hannah Trute

Ein Bereich, der eine besonders spannende Entwicklung durchläuft, ist der Einzelhandel, durch den Einsatz von Augmented Reality (AR) und 3D-Modellierung. Mit den drei Gründern von Mazing, einem IT-Startup aus Wien, haben wir darüber gesprochen, wie sich unser Kauferlebnis in der Zukunft nachhaltig verändern wird.

Was ist 3D/AR?

Mit AR werden digitale Inhalte, wie Animationen und Bilder in die Realität integriert. Nutzen wir die Kamera unseres Smartphones oder blicken durch eine Brille, nehmen wir nicht nur die tatsächliche Umgebung wahr, sondern auch digitale Objekte, die in das Sichtfeld integriert werden. Ein bekanntes Beispiel sind Snapchat-Filter wie Hundeohren, die sich beim Selfie über das Gesicht legen. VR, also Virtual Reality, ist kein Synonym für AR, sondern ein vollständig virtuelles Erlebnis, also eine Welt aus dem Videospiel. Mithilfe einer 3D-Modellierung werden Zeichnungen in 2D zum Leben erweckt.

Von organischer Gründung zu Investor:innen

Junge Unternehmen richten sich entweder auf den Einstieg von Investor:innen aus, oder skalieren organisch, mittels eigener Einnahmen.

2022 wurde Mazing ein erstes Investment verwehrt. Die Gründer sehen heute trotzdem einen Vorteil in diesem organischen Wachstum. Bootstrapping habe ihnen die Möglichkeit gegeben, die Identität ihres Unternehmens selbst zu definieren und zu leben. “Der Markt war 2022 noch nicht bereit. Auch ein Investment hätte nicht geholfen, einen Bedarf zu generieren.”

Nach 4 Jahren organischer Gründung, haben die drei nun ihr erstes, sechsstelliges Investment direkt von der Tech-Coast eingesammelt. Ihr Investor ist ein Möbelhersteller aus Los Angeles, Kalifornien.

Mit Kundenorientierung und Vertrauen wachsen

Doch wie gestaltete sich ihr Weg dahin? Den ersten Auftrag erhielten sie 2020 von einem E-Commerce mit 320 Euro Budget. Ein fertiges Produkt konnte Mazing damals nicht bieten, aber 200 Stunden Arbeit für die Anfertigung eines Prototyps, entwickelt entlang der Wünsche des Kunden. Rentabel war dieses Experiment nicht, aber es zeigte den Gründern, dass die Vision auf realen Bedarf trifft. Geebnet hat es den Weg für eine Zusammenarbeit mit Riesen wie Toshiba oder Otto. Die Werte Kundenorientierung und Vertrauen bewahrt Mazing sich bis heute.

Am liebsten arbeiten die drei mit Unternehmen aus dem E-Commerce zusammen und verbessern so das Einkaufserlebnis von Kund:innen im DACH-Raum. Insbesondere in der Möbelbranche findet die Lösung viel Anklang. Statt die eigenen 4-Wände zu vermessen, lassen sich mithilfe von AR Möbelstücke virtuell in Wohnung oder Garten platzieren und vermitteln so das spätere Raumgefühl noch vor dem Kauf. Auch für Industrieteile funktioniert das. Statt 20 Traktoren auf eine Messe mitzunehmen, werden 19 in 3D visualisiert und einer vor Ort präsentiert.” So Stefan Sprenger, Informatiker und CTO des Unternehmens.

Warum entscheiden sich Onlineshops für AR?

Das Benutzererlebnis führt nicht nur zu einem besseren Einkaufserlebnis, sondern zu einer steigenden Konversionsrate, weniger Rücksendungen und einem längeren Aufenthalt auf der Webseite des Anbieters. Ein Onlineshop für Wandbilder erreichte mithilfe von Mazing eine 42% Steigerung in Konversionsrate und Umsatz”, erzählt uns Manuel Messner, CEO des Unternehmens. Bereits in seinen Teenagerjahren legte er einen Fokus auf den Vertrieb und baute ein eigenes Dropshipping-Business auf, um Produkte aus China in Österreich zu verkaufen.

Einblicke in das Benutzererlebnis

Im ersten Schritt erstellt Mazing ein computergeneriertes 3D-Modell der gewünschten Objekte. Nicht selten schicken Möbelhersteller direkt Fotos der ersten 1000 Produkte ein. Die Modelle werden in eine Software eingespeist, diese wiederum wird auf der Webseite des Kunden implementiert.

Wie sieht die Zukunft des Einkaufens aus?

Menschen werden in 10 Jahren keine Smartphones mehr nutzen”, erzählen uns Stefan und Manuel im Interview. Stattdessen soll sich Spatial Computing durchsetzen, also Computer, die mit unserer Umwelt interagieren, ähnlich wie die Vision Pro von Apple. Mazing glaubt, Unternehmen werden sich auf diese Technologie einlassen müssen”. Aktuell gäbe es noch den Early Adopter Vorteil für alle Webshops, die AR integrieren. Mazings Shop und die Vision Pro sind bereits kompatibel.

Ein Produkt, das wir bereits in unserer Wohnung gesehen haben, ist schwerer wegzudenken als das Möbelstück, das sich unter vielen anderen auf einer Webseite tummelt. Bekannt ist dieses Phänomen als Endowment-Effekt: so würden wir für dieselbe Sache mehr fordern, wenn wir sie als unsere verkaufen, als wir beim Kauf bereit wären, für fremde Sachen zu zahlen.

Wie sieht die Zukunft von Mazing aus?

Auch für das Unternehmen steht ein Umbruch bevor. In der DACH-Region ist Mazing bereits Marktführer, gemessen an der Kundenlizenzzahl. Ein neuer Vertriebskollege spezialisiert sich nun auf Europa. Die Unternehmer sehen insbesondere in Benelux und Skandinavien großes Potenzial: Hier haben Bekleidungshäuser wie H&M und die Möbelhäuser IKEA und JYSK ihre Herkunft. Auch für Irland, Großbritannien und die USA wurden Stellen besetzt.

Einen wesentlichen Unterschied zwischen dem DACH-Raum und der USA sieht Manuel Messner im Sales Cycle, also dem Prozess eines Unternehmens vom ersten Kundenkontakt bis zum Verkauf und darüber hinaus der Nachverfolgung und Kundenbindung. US-Amerikaner träfen ihre Entscheidungen schneller, agieren innovationsoffener und durchliefen den Zyklus im Rahmen von 1 bis 2 Wochen. Im DACH-Raum könne sich der Prozess von Monaten bis sogar Jahren ziehen.

Gefährden Virtual Try-Ons unsere Daten?

Virtual Try-Ons gibt es nicht nur bei Mazing, sondern auf Social-Media-Plattformen wie Snapchat. Luxusmarken bieten über Filter ihren Nutzer:innen an, Produkte virtuell anzuprobieren. Die Plattform erkennt Gesichtszüge und Körperproportionen.

Das Kleidungsstück wird mit Bild oder Video der Social Media User kombiniert und die Größe an Bewegungen und Perspektiven der Nutzer:innen angepasst. Laut Sprenger seien viele dieser Lösungen datenhungrig und undurchsichtig. Bei Mazing wird nicht gespeichert, sondern Daten lokal auf dem Gerät von Verbraucher:innen aufbewahrt. Eine Datenbank zu schaffen wäre fatal, denn sie liefere das Unternehmen Hackerangriffen aus.

Wie werden große Unternehmen auf ein Start-Up aufmerksam?  

Jeder Klick, der schwer fällt, kann im Online-Kauf-Prozess zahlungsbereite Kund:innen frustrieren und abschrecken.” Mazing muss deshalb ein nahtloses UI/UX, also eine Plattform und Erfahrung mit intuitiver Handhabung für Kaufinteressierte gewährleisten. Außerdem setzt Mazing seit Jahren auf unterschiedliche Touchpoints für langjährige Interaktion mit eigenen Kund:innen, sei es LinkedIn, Demos oder regelmäßige Meetings und Updates.

„Unsere Gründung ist wie eine alte Beziehung, in der man nicht über Trennung nachdenkt, sondern immer nach Lösungen sucht”

Das antwortete Stefan auf die Frage, worauf er heute stolz sei. Er blicke gerne zurück auf die Höhen und Tiefen und sehe das Erfolgsrezept für die bisherige Zusammenarbeit in ähnlichen Idealen, Wertvorstellungen und Motivationen. Mit viel Empathie und Nachsicht haben die drei bisher jedes Problem gemeinsam gelöst.

Wir wünschen Mazing eine spannende Zeit beim Ausbau und freuen uns auf ein Wiedersehen in 10 Jahren, wenn es heißt, gibt es wirklich keine Smartphones mehr?”

Hannah Trute
Content Creation Legal & Tech
Hannah ist studierte Juristin aus Berlin. Bei Gründer Studios stellt sie Gründer:innen in das Spotlight, das sie verdienen. Ihre Mission ist es, Recht und PR zu vereinen und komplexere Themen zugänglicher zu machen.
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