Ein Rückblick auf 10 Jahre Miss Sophie

Unser Gespräch auf Spotify
Veröffentlicht am: 
October 29, 2024
Im Interview mit
Hannah Trute

Ein Rückblick auf 10 Jahre Miss Sophie

Seit 10 Jahren bringt Sophie Kühn, Gründerin und CEO des E-Commerce (zu dt. Online-Handel) Unternehmens Miss Sophie Nagelfolien auf den Markt. Gemeinsam haben wir die Puzzleteile ihrer Reise betrachtet.

Vor dem Einstieg in die Gründerszene braucht es häufig ein Problem: Ein komplizierter Prozess, der frustriert oder ein Hindernis, das aus dem Weg geräumt werden soll. Gründer:innen akzeptieren den Status Quo nicht und möchten mit ihren Visionen die Welt zugänglicher und intuitiver gestalten. Für Sophie wartete dieser Moment am Strand von Montpellier während des Auslandssemesters. Egal ob Drogerie-Nagellack oder hochpreisige Luxusmarke, alle splitterten durch Sonne, Sand und Salzwasser ab.

Ihr Ziel war klar: Ein Nagelprodukt zu entwickeln, das den Alltag von Frauen* erleichtern würde. Heute dürfen Kund:innen von Miss Sophie auch ohne Termin im Nagelstudio lange auf gepflegte Nägel blicken - und das für einen Bruchteil von Kosten, Zeitaufwand und Umgewöhnung. Denn bei der Herstellung wird der Nagellack speziell verarbeitet und auf Trägerfolien aufgetragen.

„Wir haben das Produkt für die DACH-Region entwickelt.”

Miss Sophie ist der bekannteste Nagelfolien-Hersteller in Deutschland. Doch die Idee war nicht neu, wie die Gründerin erzählt. Anbieter aus den USA brachten einen vergleichbaren Artikel auf den Markt: Das amerikanische Produkt klebte jedoch erst durch Hitze, musste beispielsweise mit einem Föhn aufgetragen werden.” Der DACH-Markt kaufte damals noch zu konservativ, sodass Anwendungsschritte vereinfacht werden mussten." Heute sind Kund:innen innovationsfreundlicher. Deshalb sehen wir auf der Shopseite auch Nagelfolien, die mithilfe eines UV-Gerätes aushärten.

„Während der gesamten Gründungsgeschichte haben mir viele Menschen immer weitergeholfen.”

In Deutschland lag die Anzahl der Einzelgründungen im Jahr 2023 bei ca. 84 %, während nur rund 16 % im Team gründeten.1 Eigenfinanzierte und nebenberufliche Gründungen liegen im Trend.2 Auch Miss Sophie wuchs ohne Unterstützung von Investor:innen und Co-Founder:innen.

Stattdessen vertraute sie auf sich und ihr Umfeld: Neben Netzwerkveranstaltungen und Stammtischen tauschten sich Sophie und andere frisch gebackene Unternehmer:innen über Rocket Internet und Plug & Play von Axel Springer zu ihren Herausforderungen und Problemen aus. Die beiden Accelerators fördern mit ihren Programmen bis heute Start-Ups in ihrer Entwicklung.

„Vertraue auf dich und deine Marke.”

Als Single-Founder trägt man Verantwortung für Unternehmen und Stakeholder allein. Vom Studium direkt in die Gründungsszene einzutauchen, kann eine enorme mentale Belastung bedeuten. Zu diesen zählen Gedanken über Rechtsstreitigkeiten, Kapital und Existenzangst. Viele Gründer:innen nehmen insbesondere am Anfang Probleme mit in den Schlaf. Dass dieses Verharren weder nachhaltig noch gesund ist, lernte die Geschäftsführerin, als das Unternehmen mit dem ersten Rechtsstreit konfrontiert wurde. Früher oder später seien diese Themen unvermeidbar und man dürfe sich nicht den Kopf darüber zerbrechen und selbst recherchieren, sondern an Expert:innen delegieren”.

Aber Sophie betont auch die Flexibilität einer solchen Entscheidung. Persönliche Gründe sind die häufigsten Ursachen für das Scheitern von Start-Ups, darunter auch Konflikte im Gründungsteam. Im Alleingang sind Streitigkeiten mit Co-Foundern oder Machtspiele undenkbar.

Außerdem kann die eigene Vision ohne Kompromisse verwirklicht werden. Auch wenn Input und Feedback wichtige Ressourcen sind, sollten frische Gründer:innen an die eigene Marke glauben und sich nicht von anderen Meinungen verunsichern lassen. Schließlich kennt man sein Produkt am besten.” Betroffen war sie damals selbst von Aussagen wie jetzt sind auch schon Start-ups Nagelstudios”.

Müssen Gründer:innen einen akademischen Hintergrund mitbringen?

Während ihr Studienfach BWL auch Wissen zur Existenzgründung wie Accounting, Finance, Recht und Management vermittelte, sind Lehrinhalte eher theoretischer bzw. wissenschaftlicher Natur. So lernte die Berlinerin die Erstellung ihres ersten Forecasts (dt. Vorhersage der Unternehmensentwicklung) nicht hier, sondern durch das Internet und ihr Netzwerk.

Beim nächsten Mal würde die Gründerin und Mutter übrigens früher einen konkreten Businessplan erstellen und Fragen wie Sind wir jetzt erfolgreich, wann reicht es und wie viel Umsatz brauche ich?” in Zahlen umwandeln. Unternehmensführung und Soft-Skills wie Priorisieren, Delegieren und proaktives Handeln habe sie während ihrer Gründungsjahre gelernt. Denn gerade am Anfang lässt man sich leicht ablenken und verbringt Stunden damit, den ersten Kund:innen wegen kleinen Anliegen hinterherzutelefonieren”.

„Der Erfolg kommt in den seltensten Fällen über Nacht.”

Als E-Commerce stehen von Anfang finanzielle Verpflichtungen im Raum, denn das Produkt muss hergestellt und geliefert werden. Sophie finanzierte sich in dieser Zeit über ihren Studierendenstatus und zahlte sich in den ersten vier Jahren kein Gehalt aus.

Studierenden, die sich für Unternehmertum interessieren, empfiehlt sie deshalb, direkt nach dem Studium einzusteigen. Es gibt nichts zu verlieren und sollte es nicht klappen, hat man mehr als im Konzern gelernt”. Es sei ein Trugschluss, sofort ein sechsstelliges Gehalt zu erwarten.

„Das Lager, das sonst Monate gehalten hat, war in unter zwei Minuten leer.”

Wir haben Sophie nach der Rolle der sozialen Medien für ihren Erfolg gefragt. Das damalige High-Potential-Programm von Facebook mit Budget und One-on-One Betreuung habe das Unternehmen auf ein nachhaltiges und erfolgreiches Niveau gebracht. Über Facebook Ads konnte Miss Sophie Kund:innen erreichen und skalieren. Um der neuen Nachfrage gerecht zu werden, mussten unverzüglich neue Mitarbeitende eingestellt werden. Auf diesen Schwung geriet das Unternehmen ins Visier von bekannten TV-Sendern, die ihre Geschichte aus der Perspektive der Selfmade-Millionärin in der Einzimmerwohnung vermarkteten.

„Ich möchte das Klischee vom Overnight-Success brechen und Transparenz in die Gründungswelt bringen.”

Vor zweieinhalb Jahren ergab sich die Möglichkeit für einen Exit. Miss Sophie gehört heute zur Wilde Group. Damit hat das Unternehmen nicht nur eine neue Eigentümerin, sondern die CEO auch einen neuen Tagesablauf. Wie beispielsweise eine reduzierte Stundenzahl und Verantwortlichkeit durch die Abgabe von Bereichen wie Logistik, Personal, Finanzen, Buchhaltung und Einkauf. Es bleibt mehr Fokus für Themen, die Sophie wirklich inspirieren wie Online-Marketing, das Produkt und PR.

Was wird die Zukunft bringen?

In ihrer Gründungsphase hat sich Sophie ausschließlich an amerikanischen Vorbildern orientiert. Heute möchte die Unternehmerin mehr Frauen* im DACH-Raum sehen, die ohne Finanzierung gründen und erfolgreich verkaufen. Die Gründungsszene soll transparenter werden und Mental Health ist ein wichtiger Aspekt.”

Wir wünschen der Gründerin viel Erfolg auf ihren neuen Wegen und freuen uns, zu verfolgen, wie sie neue Standards für Vorbilder in Deutschland setzen wird.

Anmerkung der Redaktion: Das Gender-Sternchen (*) dient als Verweis auf den Konstruktionscharakter von „Geschlecht“. Das Sternchen hinter „Frauen“ soll verdeutlichen, dass es sich auf alle Personen bezieht, die sich unter der Bezeichnung „Frau“ definieren, definiert werden und/oder sich sichtbar gemacht sehen. Im Hinblick auf Benachteiligung und sexistische Diskriminierung gegenüber Menschen, die sich nicht in der Norm von Zweigeschlechtlichkeit verorten können oder wollen, sehen wir von Gründerzeit hier auch unsere Verantwortung gegenüber trans*, inter* und nicht-binären Menschen. Dabei sind wir uns bewusst, dass bereits die Einordnung geschlechtlicher Vielfalt unter dem Begriff „Frauen*“ eine Wiederholung diskriminierender Gewalt ist und somit nicht als Lösung, sondern nur als Prozess verstanden werden kann.
Hier findet ihr weitere alltagsfreundliche Ressourcen für gendergerechte und inklusive Sprache.
1, 2 https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/KfW-Research/KfW-Gr%C3%BCndungsmonitor.html
Hannah Trute
Content Creation Legal & Tech
Hannah ist studierte Juristin aus Berlin. Bei Gründer Studios stellt sie Gründer:innen in das Spotlight, das sie verdienen. Ihre Mission ist es, Recht und PR zu vereinen und komplexere Themen zugänglicher zu machen.
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