Unterwegs in die Zukunft: ecoro erfindet die Straße neu

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Veröffentlicht am: 
April 7, 2024
Im Interview mit
Jenny Wüstner

Ihr Ziel ist es, den Güterverkehr zu revolutionieren, indem Güter in einem intelligenten, voll autonomen System unter der Straße transportiert werden, um mehr Platz für den Personenverkehr zu schaffen. So können Straßen nachhaltig entlastet werden und der Güterverkehr einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wir haben mit dem Co-Gründer von ecoro Christoph Tullius im Interview mit Gründerzeit Magazin über diese visionäre Idee gesprochen.

Die Gründer von ecoro Christoph Tullius und Daniel Daum haben ihren akademischen Hintergrund im Industriedesign und gemeinsam an der Pforzheim Universität studiert. Beide schlugen nach dem Studium erstmal verschiedene Wege bei DAIMLER Trucks und CLAAS ein.

Während seines Masterstudiums an der Keio University Tokio in Systems Design leitete Daniel Daum ein Team von 20 Studierenden, das an der SpaceX Hyperloop Competition von Elon Musk in den USA teilnahm und einen High-Speed-Pod für die Keio University entwickelte. Im Rahmen dieser Arbeit kam ihm auch die Idee zu ecoro road und er dachte an seinen Freund und ehemaligen Kommilitonen. Christoph Tullius fragte ihn immer wieder: “Muss es wirklich gleich so groß sein?” Nach vielen Gesprächen und Überzeugungsarbeit stand dann aber der Entschluss: Wir revolutionieren zusammen nicht nur den Güterverkehr, sondern die gesamte Straße.

Unser Straßensystem funktioniert wie vor 2000 Jahren

Seit den Römern hat sich beim Straßenbau nicht viel getan. Wo sie damals gepflastert haben, asphaltieren wir heute. Angesichts des immer weiter zunehmenden Verkehrsaufkommens stößt das Straßensystem in seiner derzeitigen Form aber an seine Grenzen. Der Güterverkehr in Deutschland stieg von 1991 bis 2019 um 75 % an. Die größten Zuwächse sehen wir jedoch beim Straßengüterverkehr mit einem Plus von fast 103 %

Der große Vorteil des Lkw ist seine Flexibilität im Vergleich zum Schienenverkehr, aber durch das hohe Gewicht und das stetig wachsende Aufkommen wird die Infrastruktur extrem belastet. Über 4000 Brücken sind in Deutschland marode und wohin man auch fährt, Baustellen sind unausweichlich. Das Problem: Man hat bei der Planung all dieser Verkehrsprojekte ein viel geringeres Verkehrsvolumen prognostiziert und dementsprechend die Infrastruktur nicht darauf ausgelegt. Dieses Problem nicht von allein lösen, der Schwerlastverkehr soll sogar weiter zunehmen. Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing geht sogar davon aus, dass das Lkw-Aufkommen bis 2051 um weitere 54% steigen wird.

Das Team von ecoro rund um Daniel Daum (CEO), Christoph Tullius (CFO), Philipp Scheler (CMO), Felix Schuster (CTO) und Lorenz Freimuth (Head of Logistics) will deshalb nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern das Problem an der Wurzel packen: Personenverkehr und Güterverkehr voneinander trennen, um die Infrastruktur zu schonen, die Umwelt zu entlasten und den Verkehr für den Menschen sicherer zu machen.

Planbarkeit und Preis: Die Pain Points im Güterverkehr

Die Idee, eine eigene Infrastruktur für den Güterverkehr zu schaffen, die nichts mit dem Straßenverkehr zu tun hat, war wohl auch der entscheidende Punkt für Elon Musk für den SpaceX Hyperloop. Gleichzeitig ist es für den Güterverkehr nicht notwendig, Waren mit 1000 km/h High Speed zu transportieren. Denn der echte Pain Point in der Logistik ist nicht unbedingt Schnelligkeit, sondern Planbarkeit: Man muss die Ware nicht innerhalb von kürzester Zeit haben, sondern genau wissen, wann sie ankommt.

Außerdem ist die Branche stark kostengetrieben. Deshalb benötigt es bezahlbaren Transport und keine teuren High-Tech-Lösungen, wie beispielsweise Hyperloops.

Die digitale Straße wird Realität

Ecoro entwickelt eine kombinierte Infrastruktur für den Straßen- und Güterverkehr mit verschiedenen Partnern.

Die Straße, wie wir sie heute kennen, wird ersetzt mit einem Element, das einen unterirdischen Hohlraum hat, in dem getrennt vom Personenverkehr der Gütertransport stattfindet. In dem Modul befindet sich unterirdisch eine komplett automatisierte Fahrbahn für den Warentransport, auf den Modulen überirdisch eine Straße für den Personentransport. Dies ist laut Christoph Tullius ohne aufwändigen Tunnelbau und innerhalb kürzester Zeit realisierbar. Dafür hat ecoro auch schon Partner, große Bauunternehmen, die diesen Part übernehmen. Denn es wäre schon ein Mammutprojekt, die Zehntausende Kilometer Autobahn in Deutschland zu ersetzen. Deshalb hat das Gründungsteam einen anderen Ansatz, den wir euch später im Artikel vorstellen.

Ecoro zielt also darauf ab, den Güterverkehr für den Menschen unsichtbar, lautlos und außerdem CO₂-neutral zu gestalten.

Wie funktioniert das in der Praxis?

Die vollautomatisierte unterirdische Fahrspur funktioniert mit fahrerlosen Transportfahrzeugen, die ecoro entwickelt. Die Transportfahrzeuge werden komplett autonom beladen, betrieben und auch wieder entladen. Durch die Vollautomatisierung in diesem geschlossenen System fließt der Verkehr rund um die Uhr und gewährleistet eine hohe Planbarkeit in der Lieferkette. Im Gegensatz dazu darf ein Lkw aufgrund der Pausenzeiten für Fahrer:innen täglich nur neun Stunden fahren. Die restliche Zeit steht er auf dem Parkplatz oder im Stau. Die ADAC-Staubilanz für 2022 zeigte, dass der Stau oder stockender Verkehr in Deutschland auf eine Gesamtlänge von etwa 733.000 Kilometern kam. Das entspricht mehr als 18 Weltumrundungen und mehr als 900 Stunden jeden Tag.

Das Team von ecoro entwickelt dieses vollautonome Transportfahrzeug, abgekürzt AGV, das unterirdisch Güter transportieren kann. Quelle: ecoro road

Das Team von ecoro entwickelt dieses vollautonome Transportfahrzeug, ein automated guided vehicle, abgekürzt AGV, das unterirdisch Güter transportieren kann. Quelle: ecoro GmbH

Außerdem werden in das ecoro-Modul direkt Versorgungssysteme für Wasser, Internet oder Kommunikation schnell, sicher und kostensparend eingebunden. Die Leitungen sind jederzeit erreichbar, ohne den Verkehrsfluss zu stören. Das senkt Kosten und beschleunigt die Planung.

Nicht nur die digitale Straße entwickelt ecoro, sondern realisiert modernsten Tunnel- und Straßenbau, der schneller und effizienter ist als aktuelle Maßstäbe. Da ecoro das Tunnelsystem direkt unter der Straßenoberfläche vorsieht, kann es in sogenannter “offener Bauweise” errichtet werden. Dabei bleibt die Baugrube nach oben offen und es muss keine herkömmliche Tunnelbohrmaschine eingesetzt werden. Das führt zu einer weitaus kürzeren Bauzeit und geringeren Kosten verglichen mit der “geschlossenen Bauweise” im Untertagebau.

Das Gründerteam geht momentan außerdem von einer Lebensdauer der Straße von ca. 70 Jahren aus. Bei dieser Prognose hat sich das ecoro-Team in Austausch mit Fachleuten an modernen Brücken orientiert, die auch als Hohlkörper gefertigt werden. Außerdem werden in das ecoro-Modul direkt Versorgungssysteme für Wasser, Internet oder Kommunikation schnell, sicher und kostensparend eingebunden. Die Leitungen sind jederzeit erreichbar, ohne den Verkehrsfluss zu stören. Das senkt Kosten und beschleunigt die Planung. All das allein ist ein echter Gamechanger für die Verkehrsinfrastruktur.

Christoph Tullius erklärt dem Gründerzeit Magazin, dass die Straßen und Budgets der Auftraggeber durch das ecoro-System auf nachhaltige Weise entlastet werden, da durch die einzigartige Bauweise Baukosten um 20% reduziert werden und die Infrastruktur sich durch nachhaltige Renditen amortisiert. “So verwandeln wir eine passive Oberfläche in einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz und schaffen gleichzeitig neue Ertragsmodelle.” Die beiden Gründer planen momentan die Nutzung von CO₂ -reduziertem Beton und arbeiten hierzu mit Heidelberg Materials zusammen. Neue Bauverfahren versprechen darüber hinaus, dass man in einigen Jahren Kohlenstoffdioxid in Beton einschließen kann. Hochrechnungen des Teams ergaben, dass sich pro Kilometer ecoro-Straße bei hoher Systemauslastung 5.000 Tonnen CO₂ im Jahr pro Straße einsparen lassen.

Das ecoro-System der digitalen Straßen, das gemeinsam mit Partnern entwickelt wird. Quelle: ecoro road

Das ecoro-System der digitalen Straßen, das gemeinsam mit Partnern entwickelt wird. Quelle: ecoro GmbH

Erstes Pilotprojekt in Saudi-Arabien geplant

Das Team von ecoro ist gestartet mit dem Wunsch, das System in Deutschland zu verändern. Da Deutschland laut Christoph Tullius aber ein Brownfield ist, in dem die Infrastruktur schon seit Jahrzehnten besteht, haben sie sich an Märkten orientiert, in denen neue Straßeninfrastruktur entsteht. Außerdem ist Deutschland kein typischer First-Mover-Markt und disruptive Techniken haben sich selten als erstes auf dem heimischen Markt durchgesetzt.

Ein Land, das sich für ecoro angeboten hat, ist Saudi-Arabien. Es entstehen dort in den nächsten Jahre tausende Kilometer neuer Straßen und es gibt laut dem Gründer eine offenere Haltung gegenüber Innovationen. “In den Gesprächen hat sich herausgestellt, dass Saudi-Arabien seinen gesamten Güterverkehr unterirdisch organisieren möchte und so haben wir einen großen Pull aus dem Markt erlebt mit unserer Idee.”

Das Pilotprojekt mit einem ersten Kunden in Saudi-Arabien soll Ende 2025 in Form einer Teststrecke mit dem ecoro-System. “Dieses erste Pilotprojekt mit organischem Wachstum ist der richtige Schritt für uns als Unternehmen.” Außerdem wollen die Gründer ihr Produkt auf einer Live-Demo in Rhiad vor ihren Investoren, Partnern und lokalen Unternehmen launchen. Der gesamte ecoro-Prozess soll einmal live veranschaulicht werden: Die vollautomatische Beladung des Transportfahrzeuges (AGV), Einphasung ins Förderband-System, eine Runde fahren, abbremsen und die vollautomatische Entladung. Das Gleiche ist im Laufe des Jahres in Deutschland geplant, um auch den heimischen Markt auf die Innovation vorzubereiten.

Aktueller Fokus

Christoph Tullius verrät uns, dass die nächste Finanzierungsrunde für ecoro roadansteht und sie derzeit mit Investoren in Gesprächen sind, die ihre Vision teilen. Das ecoro-Team entscheidet bei jeder Finanzierung sehr strategisch, wie viel Liquidität sie wirklich brauchen und wie viel Equity sie abgeben wollen.

Im nächsten Schritt geht es für die beiden Gründern um die Entwicklung eines B-Musters des ecoro-Transportfahrzeugs. Ein erster Prototyp existiert bereits und wird momentan getestet.

Wie für jedes Startup ist die Kundenakquise eine Priorität der beiden Gründer: “Wir wollen da sein, wo unsere Kunden sind und neue Märkte erschließen.” Außerdem ist der Ausbau ihres Partnernetzwerks von Bedeutung. “Wir haben mit DB Schenker, Beumer Gruppe, einem Bauunternehmen aus Saudi-Arabien  und der Dorsch Gruppe bereits starke Partner gewinnen können. Diese sind von unschätzbarem Wert, da wir als ecoro mit unserer Idee nur ein Zahnrad von vielen sind”, so Christoph Tullius weiter.

Christoph Tullius und Daniel Daum revolutionieren mit ecoro den Güterverkehr durch ein unterirdisches, vollautomatisiertes Transportsystem, das den Straßenverkehr entlastet und gleichzeitig zum Klimaschutz beiträgt. Ihr innovatives Konzept zeigt einen zukunftsweisenden Weg auf, um unseren aktuellen Verkehrs- und Umweltprobleme zu lösen. Mit ihrer internationalen Strategie stehen sie an der Spitze von Klimaschutz made in Germany und haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir die Straße nutzen, grundlegend zu verändern.

Hier könnt ihr mehr über ecoro erfahren oder dem Startup direkt auf LinkedIn folgen!

Jenny Wüstner
Content Creation Health Care & Tech
Jenny bringt ihre jahrelange Erfahrung in der PR-Arbeit und Thought Leadership Positionierung für DAX-CEOs, Gründer:innen und Top-Management zu Gründer Studios.
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